Die Überfahrt meines Großonkels Wolfgang Hensel nach New York


Seit meinem let­zten Besuch
 bei meinem Großonkel Wolf­gang HENSEL vor fast genau 2 Jahren erzählte mein Großonkel, dass er damals mit dem Dres­den­er Kreuz­chor in New York gewe­sen war. Vieles an dieser Reise blieb mir unbekan­nt, Phan­tasien malte ich mir hinge­gen aus. Schließlich fand ich in alten, dig­i­tal­isierten Pas­sagierlis­ten einen Ein­trag, dass/wann er nach New York reiste. Und sog­ar seine alte Wohnadresse mit einem inter­es­san­ten Aspekt, wie sich später noch her­ausstellte…

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Die Ahnen­forschungsportal Ances­try sandte mich gestern per Mail einen so genan­nten ​“record match” zu, eine annäh­ernde Übere­in­stim­mung eines Per­so­n­en­pro­fil (eines Vor­fahren oder eines Fam­i­lien­mit­gliedes) in bes­timmten, his­torischen Doku­menten oder geneal­o­gis­chen Stamm­bäu­men. Dieser ​“record match” betraf meinen ver­stor­be­nen Großonkel Wolf­gang HENSEL im Bezug eines möglichen Ein­trags auf ein­er Pas­sagierliste eines Schiffs, welch­er einst in Ameri­ka ein­ge­laufen war.

Ich tat diesen ​“record match” zunächst als eine Fehlmel­dung ab, die gele­gentlich mal vorkommt. Jedoch wollte ich es mir den­noch ein­mal genauer anschauen – um auf Num­mer sich­er zu gehen. Da ich bei Ances­try jedoch keinen bezahlten Zugang zu Quellen aus Ameri­ka hat­te, suchte ich bei MyHer­itage nach der gle­ichen Quelle dieses ​“record match”, da bei­de geneal­o­gis­chen Anbi­eter einige, gle­iche Quellen haben. Zudem habe ich bei MyHer­itage einen bezahlten Zugang, mit dem ich auf solche Quellen gle­ich­wohl zugreifen.

Ich erin­nere, dass mein Großonkel während meines let­zten Besuchs bei ihm sagte, dass er ein­mal mit dem Dres­den­er Kreuz­chor in New York gewe­sen sei. Ich malte in Gedanken auch, wie es damals wohl gewe­sen war, im welchen Jahr es passiere und wie die Gesellschaft damals tick­te. Vieles war damals dur­chaus anders, als es heute ich – sowohl gesellschaftlich, als auch beson­ders poli­tisch.

Als ich den ver­meintlichen ​“record match” auch in den Quellen von MyHer­itage fand und den Inhalt mir inten­siv­er durch­las, musste ich mit einem sinnbildlichen Schluck­en fest­stellen, dass der ​“record match” tat­säch­lich ein Ein­trag zu meinem Großonkel Wolf­gang HENSEL war, welch­er doku­men­tierte, dass er in der Tat nach Ameri­ka reiste – im Jahr 1938, unge­fähr ein Jahr vor dem Beginn der Zweit­en Weltkrieges.

In fol­gen­den bei­den Bildern find­et sich der Ein­trag zu meinem Großonkel wieder. Seine Angaben sind jew­eils in der 9. Zeile zu lesen. In den Angaben find­en sich Infor­ma­tio­nen wie Name, Alter, Geburts­dat­en, Vater­sname, Adresse, beru­flich­er Sta­tus, Ein­reise­da­tum, Aufen­thalts­dauer oder Aufen­thalt­sort, aber kör­per­liche Merk­male wie Haar­farbe, Augen­farbe oder Kör­per­größe.

Mein Großonkel reiste mit dem Dres­den­er Kreuz­chor im Jahr 1938 dem Schiff ​“Europa” von Bre­men nach New York. Das Schiff – die ​“Europa” – war ein tur­binengetrieben­er 4-Schrauben-Schnelldampfer der Reed­erei Nord­deutsch­er Lloyd in Bre­men und war von 1930 bis 1933 Trägerin des Blauen Bands als schnell­stes Schiff auf der Transatlantik-Route Europa–New York. Die Große Über­fahrt meines Großonkels über den Atlantik nach New York begann am 6. Okto­ber 1938. Nach 6 Tagen Reisezeit traf die ​“Europa” am 12. Okto­ber 1938 in New York ein. Die Angaben der Reise­dat­en sind auf dem Doku­men­tköpfen der Pas­sagierlis­ten belegt. Aber auch die Bre­mer Pas­sagierlis­ten doku­men­tieren die Über­fahrt meines Großonkels.

1938 – in diesem Jahr war mein Großonkel Wolf­gang HENSEL 11 Jahre alt gewe­sen. Geboren wurde er am 11. Jun. 1927 in Rade­beul bei Dres­den. Seine Eltern waren Friedrich Arthur HENSEL (* 20. Nov. 1896 Neukirch/Lausitz; + 14. Apr. 1968 eben­da) und Käthe Wil­helmine HENSEL geb. METZ (* 20. Nov. 1903 in Prinzen­thal bei Bromberg; + 14. Mai 1967 in Rade­beul).

Der Dres­d­ner Kreuz­chor tourte zwis­chen Okt-Nov 1938 fast einem Monat durch die USA. Es war die zweite USA-Konzertreise gewe­sen. Sie führte die 60 Kruzian­er (so nen­nt man die Chor­mit­glieder) unter der Leitung von Rudolf Mauers­berg­er quer durch das ganze Land. Mit Bus und Bahn ging es durch 18 Großstädte, darunter New York, Philadel­phia, Wash­ing­ton, Detroit, Chica­go. Die Reise wurde dabei von Protesten jüdis­ch­er Organ­i­sa­tio­nen gegen den Chor und die Vorgänge in Nazideutsch­land begleit­et, denn während der Konz­ertreise des Chores hat­ten die Nazis das Sude­ten­land (zusam­men­hän­gen­des Gebi­et ent­lang der Gren­zen der dama­li­gen Tsche­choslowakei bei Deutsch­land und Öster­re­ich) beset­zt. Dieses Geschehen ging als Reich­s­pogrom­nacht vom 9. Novem­ber in die Geschichte ein und erschüt­terte die Men­schheit. Der Dres­d­ner Kreuz­chor kehrte schließlich am 26. Novem­ber 1938 in Deutsch­land wieder ein. Es sollte die vor­erst let­zte Übersee-Konzertreise des Kreuz­chors wer­den, denn kurz darauf brach der Zweite Weltkrieg aus. Schließlich wurde auch die Kreuzschule und die Kreuzkirche in Dres­den bei einem Luftan­griff am 13. Feb­ru­ar 1945 schw­er getrof­fen, wobei 11 Kruzian­er ihr Leben ver­loren. (Quelle von SWR2 mit einem inter­es­san­ten Audio-Beitrag).

Die wahrschein­lich wichtig­ste Angabe zu einem Großonkel in den Ein­trag der New York­er Pas­sagierlis­ten ist jedoch die Angabe des Vater­sname und der Adresse.

Als Vater­sname wird Friedr. Hensel angegeben. Dabei han­delt sich um Friedrich Arthur HENSEL. Der Vater­sname dient hier als stärk­ender Beweis, dass der Ein­trag tat­säch­lich meinen Großonkel gilt und kein­er namensgle­ichen Per­son. Mehr noch: die Adresse. Als Adresse wird Tra­chauer­str. 41 (= Tra­chauer Straße) angegeben. Diese Adresse sagt mir einiges, denn es ist der Wohnort, wo meine Mut­ter und ihre bei­den Brüder aufgewach­sen sind. Es über­rascht mich zu lesen, dass dass offen­bar die Mut­ter mein­er Mut­ter (also meine Groß­mut­ter Käthe Wil­helmine ​“Mimi, Wil­mi” JOHNE geb. HENSEL verw. LÖSER) und dessen Brud­er – mein Großonkel – eben­falls dort aufgewach­sen sind. Dieser Aspekt ist dur­chaus inter­es­sant; denn es sagt hier aus, dass das Rei­hen­haus in der Tra­chauer Straße 41 min­destens seit 1938 von meinen Vor­fahren angemietet war. Da meine Mut­ter im Jahr 1962 geboren wurde, bedeutet es, dass meine Vor­fahren dort min­destens 25 Jahre über mind. 2 Gen­er­a­tio­nen in diesem Haus lebten. Da von Rabebeul und von Dres­den einige Adress­büch­er gibt, werde ich mal bei Gele­gen­heit nach­schauen, welche weit­eren Wohnangaben sich von meinen HENSEL-Vor­fahren noch find­en wer­den.


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Michael de Radobýl

500 g Ahnenforschung, 400 g Astronomie, 200 g Informatik​, 150 g Namenkunde, 2 EL Sprachinteresse, 1 Prise Scifi, 1 Schuss Geschichte. Alles gut vermischen, lange einwirken lassen und fertig bin ich!

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