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Die Knolle aus Herford

Aktuell durchforste ich bei dem genealogischen Anbieter Ancestry diverse Hinweise zum meinen Vorfahren. Ich bin dabei auf meinen Spitzenahn „Henrich/Heinze (dictum) KNÖLL/KNOLL(N)“ hängengeblieben. Die Daten, die auf Ancestry zu finden sind, suggerieren, dass es vielleicht ein genealogische Fährte nach Bünde bei Herford geben würde, wo eventuell die Kartoffel die Namensgrundlage für den Familiennamen KNÖLL sei. Allerdings ist daran auch Skepsis angebracht.

Einer meiner frühestens Spitzahnen ist ein gewisser „Henrich/Heinze (dictum) KNÖLL/KNOLL(N)“ aus der Wittgensteiner Region, der von 1508-1556 dort lebte. Sein Herkunfts- und Sterbeort ist der Ortsteil Holzhausen von Bad Laasphe in Siegen-Wittgenstein. Der Namenszusatz „dictum“ in seinem Namen lässt auf einen Genannt-Namen hinweisen. Henrich/Heinze ist zugleich ein mehrfacher Vorfahre vor mir, da in der Abstammung zu ihm mindestens 3 Ahnenschwünde auftreten.

Die Familie von "Henrich/Heinze (dictum) Knöll/Knoll(n)" mit Kinder und Enkeln. Es werden ausschließlich Vorfahren angezeigt.
Die Familie von „Henrich/Heinze (dictum) Knöll/Knoll(n)“ mit Kinder und Enkeln. Es werden ausschließlich Vorfahren angezeigt.

Nun suchte ich auf Ancestry nach weiteren Hinweisen. Dort wurde mir durch Stammbäume diverser Benutzer ein gewisser „Jo KNÖLL“ als Vater vom Henrich/Heinze vorgestellt, der von 1485-1535 in Bad Laasphe in der Wittgensteiner Region lebte. Der Vorname „Jo“ ist eventuell eine Abkürzung für Johann(es) oder Jost. Dessen dort ebenfalls vorgestellter Vater – einfach als „KNÖLL“ bezeichnet – soll von 1455-1512 in Knolle bei Bünde nahe Herford im nordöstlichen NRW gelebt haben.

Hm, wenn man den Nachnamen KNÖLL/KNOLL(N) als Herkunftsnamen betrachtet, mag dies auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Allerdings verwundert es mich, dass in den Familiendaten von Dr. Jochen Karl Mehldau aus der Wittgensteiner Familiendatei keine weiteren Hinweise zu „Henrich/Heinze (dictum) KNÖLL/KNOLL(N)“ erhalten konnte, da dieser nach meinen bisherigen Wissensstand einer der ältesten, nachweisbaren Bewohner von Bad Laasphe bzw. von Wittgenstein durch die Kirchenbücher ist.

Mehr noch: Hat die Ortschaft Knolle bei Bünde, der Nachname KNÖLL/KNOLL(N)“ etwas mit der Knolle einer Kartoffel zu gemeinsam? Bei meiner Recherche bin ich nämlich schnell auf die Restaurantkette „Die Knolle“ gestoßen. Sie hat sich in dieser Region mit vier Filialen verteilt hat: in Bünde, in Herford, in Minden und in Melle, wo dort auch der Hauptsitz ist. Diese Restaurantkette hat sich auf Kartoffelgerichte spezialisiert. Zudem gibt es in der Ortschaft Knolle bei Bünde selbst einen gewissen Karl KNOLLMANN, der wiederum die Knollenfrucht der Kartoffeln erntet und verkauft (Knoller Str. 44, 32257 Bünde; „Speisekartoffeln von Knollmann’s Hof“). Wird/wurde in dieser Region besonders viele Kartoffeln angebaut, wodurch die Ortschaft Knolle aufgrund der Kartoffelknolle bzw. dem Beruf eines Kartoffelbauers namensgebend für einige Familienname wurde?

Erinnern wir uns, was eines der Grundregeln in der Genealogie ist: Infos und Daten nie ohne Quellenangaben bearbeiten und kopieren! Wenn man dies berücksichtigt und die ganze Sache etwas kritischer betrachtet, dann wird man auch schnell die andere Seite der Sache kennenlernen.

Ein Mittel, um die Herkunft einer Personengruppe mit gemeinsamen Familiennamen in einfacher Übersicht zu erhalten, ist die Verteilung des Familiennamen in Deutschland und die dahinterstehende Bedeutung des Familiennamen selbst. Es gibt einige Quellen wie das Genwiki, Geogen oder das Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD), in den man nachschlagen und weitere Infos erhalten kann. Bei Genwiki finden sich folgende Verteilungskarten, deren Datengrundlage der Dienst Geogen ist.

Man erkennt bei beiden Grafiken, dass die Verteilung des Nachnamens KNÖLL sich auf die Pfalz-Region konzentriert. Wäre die Ortschaft Knolle bei Bünte nahe Herford die Grundlage des Nachnamens, so würde man hingegen eine dortige konzentrische Verteilung im nordöstlichen NRW an der Grenze zu Niedersachsen finden. Dem ist es aber nicht so. Wenn der Nachname KNÖLL/KNOLL(N) nicht auf einen Ort bezieht, was bedeutet dieser Nachname dann?

Schauen wir dazu Digitale Familiennamenwörterbuch Deutschlands (DFD) unter dem Eintrag „Knöll“: Dort lesen wir zuerst, dass der Nachname in seiner allgemeinen Bedeutung eigentlich sich von KNOLL ableitet und entweder als Benennung nach einer Wohnstätte an einem Berg, Hügel o. ä. verstanden werden kann oder als Übername bzw. Eigenschaftsname für jemanden, der einen groben Charakter aufweist und (wie eine Knolle) eine plumpige Körperfigur besitzt. In beiden Fällen ist das mittelhochdeutsche Wort knolle, ausgehend vom mittelniederdeutsch * knolle , * knull, in der Bedeutung ‘Erdscholle, Klumpen’ mit dem übertragenden Sinn ‘Bergspitze, Hügel’ die Grundlage. Im Einzelfall kann jedoch der Beruf eines Bauers gemeint sein, das stellvertretend für dem Pflanzen und Ernten von Kartoffelknollen steht, was schließlich zu Bildung und Nennung das Nachnamens führte.

Als Ausschluss sah das DFD jedoch die Ortschaft Knolle bei Bünte an, da es keine konzentrische Verteilung des Nachnamens um die Ortschaft zu finden ist. Wäre die Ortschaft hingegen die Grundlage für den Nachnamen, dann würde man dies durch eine konzentrische Verteilung belegen können. Dies ist quasi in Grundprinzip in der Verteilung von Nachnamen. Das zeigt sich auch im Fall der Verteilung des Nachnamens KNOLL.

Ich komme hier auch noch auf die Daten zurück, die man für die vermeintlichen Vorfahren „Henrich/Heinze (dictum) KNÖLL/KNOLL(N)“ auf Ancestry finden kann. Die Mehrheit der dort enthaltenen Quellen beinhaltet die vermeintlichen Vorfahren; also „Jo KNÖLL“ und dessen Vater „KNÖLL“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat man eine der Grundregeln des Genealogie nicht beachtet und die Informationen froh und munter kopiert.

Es spricht zwar grundsätzlich nicht dagegen, wenn man frei verfügbare, genealogische Daten für seine eigene Forschung verwendet. (Schließlich ist es auch ein Vorteil in der Computergenealogie). Jedoch müssen diese Daten als Voraussetzung verifizierbar und mit Quellen nachweisbar sein. D. h., es muss bereits ein qualifizierter Genealoge die Daten für aus dem entsprechenden Kirchenbücher korrekt erhoben haben. Nun passiert es aber, dann besonders bei Vorfahren, die als Spitzenahnen gelten und bei denen man auf einen toten Punkt stößt, die Daten lückenhaft sind, z. B. es fehlt das Geburtsdatum oder das Sterbedatum wurde nur geschätzt. Man muss dann verstehen, dass die weitere Suche in der Regel dort auch ein nahes Ende findet. Die Laien machen den Fehler und versuchen trotzdem weiterzusuchen. So greifen sie beispielsweise auf die automatische Suchdienst von Ancestry oder MyHeritage zurück. Diese Suchdienste geben dann in ihren Suchergebnisse nur potenzielle Kandidaten für eine Vorfahren wieder. Je ungenauer aber die Suchkriterien sind, desto mehr vermeintliche Personen fallen in die Suchergebnisse hinein, die dann als mögliche Vorfahren wahlweise angesehen werden, obwohl dort dann keine unmittelbare Verwandtschaft mehr vorhanden ist.

Ich hatte zu Beginn dieses Beitrags erwähnt, dass der Namenszusatz „dictum“ auf einen Genannt-Namen hinweist. Das bedeutet unter Umständen, dass „Henrich/Heinze (dictum) KNÖLL/KNOLL(N)“ gar kein geborener KNÖLL/KNOLL(N) ist. Dem Genannt-Namen liegt oft ein Hofname zu Grunde und sie weisen meist den Umstand auf, das jene Person in die Familie bzw. dem Hof eingegliedert wurde, obwohl es anfangs keine verwandtschaftliche Beziehung gibt. Dies kann beispielsweise durch Adoption oder durch das Einheiraten in eine Familie geschehen, wodurch man später den Hof in der Führung als Schwiegersohn übernimmt. Oft wird es auch so, dass der Genannt-Name einer Person dann zum eigentlichen Nachnamen wird und durch spätere Nachkommen weitergeführt wird.

Eine Antwort auf „Die Knolle aus Herford“

Zu dem Namen Knoll : Wir wissen alle in welchem Zeitraum die Kartoffel bei uns eingeführt wurde. Das steht zeitlich in keinem Zusammenhang mit
der Entstehung unserer Familenamen. Also fällt Knolle dabei durch.

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